Züri Nordwand

Mai 31, 2019

In Zürich kursierte vor etwas mehr als einem Jahr das Gerücht, dass es bald die höchste städtische Kletterroute der Welt direkt an der Limmat geben würde. Und zwar an der fensterlosen 110m hohen Fassade des Swissmill Silos. Die kühne Idee stammt von drei kletterinteressierten Architekten (Robert Fischer, Pascal Hendrickx und Adrian Walther), die damals die Interessensgemeinschaft Zürinordwand gegründet haben. Sie wollten die Betonfassade mit verschiedenen Mehrseillänge-Route ergänzen, ähnlich den internationalen Beispielen in Wien am Flakturm (Esterhazypark), in Reno am Whitey-Peak-Hotel oder an der Staumauer des Lago di Luzzone (Tessin). Mit Publikationen in verschiedenen Tageszeitungen sowie einigen Fachzeitschriften ist das Thema in der Öffentlichkeit platziert worden. Grund genug mit Pascal Hendrickx, einem der Gründungsväter des Vereins, ein Interview über den Stand der Dinge zu führen:

Archjobs.ch (AJ): Pascal, eure Idee, die fensterlose Fassade des Swissmill-Silos in eine Kletterwand umzunutzen, ist so einfach wie genial. Kannst du einen Überblick über die Entwicklung des Projektes geben?

Pascal Hendrickx (PH): Unsere Idee wurde im Herbst 2017 in einem offenen Brief dem Eigentümer des Silos, der Swissmill, vorgestellt. Diese Dialoganfrage, in der bereits einige Vorschläge zu betrieblichen und sicherheitstechnischen Aspekten genannt wurden, verlief leider erfolglos. Die Swissmill bekundete kein Interesse, die Idee und das vorgeschlagene Konzept weiter zu prüfen. Trotz der negativen Rückmeldung konnten wir aber die Idee einer urbanen Kletterroute im Herzen von Zürich in der Öffentlichkeit platzieren und aufgrund des breiten und positiven Echos feststellen, dass dafür ein Interesse besteht. Wir halten nun Ausschau für andere, mögliche Standorte und sind gespannt auf die weitere Entwicklung dieser Idee.

AJ: Wie haben die Öffentlichkeit und die Stadtbehörden auf die Idee reagiert?

PH: Wir waren erfreut und auch etwas überrascht von der durchweg positiven und grossen Resonanz aus der Bevölkerung. Für unseren offenen Brief sind innerhalb von drei Wochen über 3’000 Unterschriften zusammengekommen, die das Projekt unterstützen. Das mediale Interesse begann mit einem Artikel in der NZZ seinen Anfang. In der Folge haben rund zwanzig verschiedene Medien darüber berichtet, unter anderem der Tages Anzeiger, TeleZüri und SRF. Im Februar 2018 organisierten wir eine Podiumsdiskussion im Architekturforum Zürich, zu der wir erstmalig Vertreter von Stadt, Quartier und Klettersport gewinnen konnten. Da zu diesem Zeitpunkt die Absage seitens Swissmill bereits vorlag war der Gegenstand der Diskussion die Urbanisierung des Klettersports und die Machbarkeit eines solchen Projekts in Zürich. Die Direktorin für Stadtentwicklung, Frau Anna Schindler, signalisierte von Seite der Stadt Unterstützung für die weiteren Abklärungen und eine mögliche Umsetzung dieser Idee.

AJ: Wer soll eine „Zürinordwand“ betreiben? 

PH: Für die Dialoganfrage haben wir ein mögliches Betriebskonzept erarbeitet, wie der Zugang kontrolliert werden kann, welche Sicherheitsfragen geklärt werden müssten und wie ein möglicher Betrieb, beispielsweise in Zusammenarbeit mit einer bestehenden Kletterhalle oder einem Verein, aussehen könnte. Unsere favorisierte Lösung wäre der Betrieb durch einen gemeinnützigen Verein. Dies würde die öffentliche Akzeptanz eines solchen Projektes erhöhen. Auch steht für uns keine kommerzielle Absicht im Fokus. Betriebliche Fragen wie Personal, Öffnungszeiten, Unterhalt etc. müssten aber zusammen mit möglichen Betreibern näher geklärt werden müssen. 

Etwas vom Wichtigsten ist sicherlich die Zugangskontrolle: der Zugang zu einer 100m hohen Kletterwand an solch prominenter Lage muss reguliert sein. Daher haben wir uns die Zugangskonzepte von bereits bestehenden Referenzprojekten angeschaut, wie z.B. der Staumauer des Lago di Luzzone, wo man einen Schlüssel für den Routen-Zugang persönlich bei dem Bergrestaurant abholt. Unser Vorschlag wäre jedoch eine elektronische Kontrolle, bei der man via persönlichen QR-Code das Drehkreuz entriegeln kann. Damit liesse sich das Kletterkönnen verifizieren, welches eine solche Mehrseillängen-Route voraussetzt: in einem vorgängigen Kurs in einer Kletterhalle oder von einem Sportladen könnte dieses attestiert und auf dem Nutzerprofil hinterlegt werden. Der Zugang wäre nur mit absolvierten Kurs bzw. Test möglich. Das System wäre somit recht autonom, nur zur Öffnung und Schliessung müsste jemand vor Ort schauen. 

AJ: Und die technischen Hürden, wie erstellt man eine Kletterwand an einer Fassade?

PH: Diese wäre relativ einfach – mit circa 45mm tiefen Dübeln könnten farbneutrale Klettergriffe an die Aussenwand geschraubt werden. Professionell ausgeführt verletzten diese die Betonwand nicht, sind also für die Funktion der Fassade unbedenklich. Bei Demontage müssten die Bohrlöcher wieder abgedichtet werden. Spezialisierte Kletterwandbauer würden sich von oben abseilen und die Klettergriffe verschrauben. Vorgesehen wäre nur eine beschränkte Anzahl an Routen, wollen wir die Baumassnahmen an der Fassade doch so gering wie möglich halten.

AJ: Gibt es noch Hoffnung auf eine Kletterwand über den Dächern von Zürich?

Das allgemeine Interesse an einer urbanen Outdoor-Kletterwand mitten in Zürich – also einer „Zürinordwand“ – ist geweckt worden! Unsere Interessengemeinschaft Zürinordwand zählt mittlerweile 60 bis 70 Mitglieder. Auch innerhalb der SAC Sektion Uto hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der Förderung von urbanem Klettern befasst. Gemeinsam halten wir nun mithilfe einer digitalen Karte Ausschau nach weiteren potentiellen Standorten, um mit den entsprechenden Eigentümerschaften den Kontakt zu suchen. Denn es gibt sie – die höheren, fensterlosen Betonfassaden, die eine Nutzungserweiterung mit urbanen Climbing zulassen würden! 

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Aneignung einer solchen, scheinbar „langweiligen“, vertikalen Fläche mitten in der Stadt und einer neuen Nutzungsüberlagerung einen Mehrgewinn für die Kletterer und für Zürich schaffen könnten. Noch fehlt uns aktuell die Fassade für ein konkretes Projekt – gewiss wäre es aber ein Plus für die Standortattraktivität von Zürich.

PH: Vielen Dank für das Gespräch.

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Bildnachweis: 

#1: ZüriNordwand e.V.

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Quellen:

https://www.nzz.ch/zuerich/klettern-am-korn-turm-ld.1320326

https://www.lacrux.com/tag/robert-fischer/

https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Tausende-wollen-den-SwissmillTurm-hochklettern-/story/24958905