Durchmesserlinie

April 9, 2019

Die SBB transportiert derzeit jährlich knapp 500 Millionen Personen und 53 Millionen Nettotonnen Güter durch die Schweiz. Der Zürcher Hauptbahnhof ist mit 470’000 Passagieren pro Werktag der grösste Bahnhof der Schweiz. Seit 1990 hat sich die Zahl der Passagiere, die über diesen Bahnhof reisen, verdoppelt. Aus diesem Grund wurde eine unterirdisch durchlaufende Bahnlinie vorgeschlagen, welche die Route West-Ost erleichtern und den Sackbahnhof in einen (teilweisen) Durchgangsbahnhof verwandeln sollte.

Mit dem Fahrplanwechsel 2015 wurde diese Verbindung, die sogenannte Durchmesserlinie, nach einer siebjährigen Bauzeit eröffnet. Sie beginnt in Altstetten im Westen, taucht dann unterhalb des Hauptbahnhofs Zürichs ab und erscheint kurz vor Oerlikon im Norden wieder auf Gleisniveau. Herzstück war dabei der neue, unter dem Hauptbahnhof gelegene Tiefbahnhof Löwenstrasse, der mit vier zusätzlichen Gleisen Mischverkehr, also Fern- und Regionalverkehr, aufnehmen kann. Die SBB und der Kanton Zürich begannen bereits 1999 anlässlich der Volksinitiative «Pro Durchgangsbahnhof» mit der Planung der Durchmesserlinie. Die erwarteten 1,5 Milliarden sollten zu 2/3 von SBB und Bund sowie zu 1/3 vom Kanton Zürich übernommen werden. Nach der positiven Volkswahl 2001 und einer intensiven Planungsphase begannen 2005 die Bauarbeiten für die Passage Sihlquai. Zwei Jahre später wurde mit den Gleisröhren begonnen. Die Gestaltung der 16m tiefliegenden Perrons sowie der Aufgänge übernahm dabei das Architekturbüro Dürig Architekten aus Zürich. Der Weinbergtunnel und der Bahnhof Löwenstrasse wurden dann 2014 eingeweiht, während die markanten Letzigraben- und die Kohlendreieckbrücken kurz vor 2015 fertiggestellt wurden. 

Hauptschwierigkeit dieser Bahnhofserweiterung war vor allem das Umfeld der neuen Linienführung:die Niveauhöhe der Gleise war vorgegeben, da die neue Strecke das querende Flusswasser der Sihl und den bestehenden, aber ungenutzten Stadttunnel, kreuzen musste. In Kombination mit den verschiedenen Werkleitungen auf dem Areal bedeutete dies äusserst begrenzte Platzverhältnisse. So waren spezielle Maschinen notwendig, wie etwa ein Bagger mit geringer Aufbauhöhe, um in den engen Schacht hineinzukommen.Aufgrund der innerstädtischen Umgebung musste ein Grossteil des Bau- und Schuttmaterials via Zug abtransportiert werden. Dieser Umschlagplatz wird zur Zeit mit dem Wohnprojekt «Gleistribüne» von Esch Sintzel Architekten bebaut.

Eine weitere Herausforderung stellten die Bauarbeiten während des laufenden Betriebs dar: das denkmalgeschützte Hauptbahnhofgebäudewurde permanent durch ein System aus 4000 Messpunkten lasergenau überwacht, um etwaige Absenkungen rasch bemerken zu können. Für Aufsehen sorgte zudem die im April 2009 steckengebliebene Tunnelbohrmaschine, die eine Sperrung des Bahnhofsplatzes nach sich zog. Da eine Bergung zu gefährlich und aufwendig war, wurde die Maschine schlussendlich einbetoniert. Ebenfalls von öffentlichem Interesse war die Verschiebung des historischen Verwaltungsgebäudes der Maschinenfabrik Oerlikon MFO. Das Gebäude lag im Bereich der Gleisverbreitung des Bahnhofs Oerlikon und konnte nur durch eine hydraulische Verschiebung vor dem Abbruch gerettet werden. Das 5600 Tonnen schwere Industriedenkmal wurde 2012 um 60m auf das benachbarte Grundstück der Stadt Zürich bewegt.

Wie bei solchen Grossprojekten üblich, musste auch bei der Durchmesserlinie preislich nachjustiert werden: 2007 musste ein zusätzlicher Kredit genehmigt werden, da die ursprünglich offerierten Preise nicht mehr eingehalten werden konnten. Ausserdem waren in der Zwischenzeit die Stahlpreise und die Deponiekosten für Aushubmaterial gestiegen. Somit schloss das knapp 9km lange Bauwerk mit 2,0 Milliarden Franken ab. Aber die Kosten sind bereits vergessen, denn der ergänzte Bahnhof und die verbindende Durchmesserlinie werden heutzutage wie selbstverständlich genutzt. Mit dem Anschluss an die bald fertiggestellte Europaallee bekommt auch die Passage Löwenstrasse eine stärkere Gewichtung. Dank der Durchmesserlinie ist der Bahnhof Zürich nun in der Lage alle zwei Minuten eintreffende Doppeldeckerzüge mit einer Kapazität von 3‘000 Passagieren pro Zug zu bewältigen.

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Quellen:

https://www.espazium.ch/ein-bekenntnis-zum-ffentlichen-verkehr

https://www.nzz.ch/zuerich/aktuell/durchmesserlinie-chronologie-in-16-jahren-von-der-volksinitiative-zur-eroeffnung-ld.3583(5.1.2019)

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-9984.html(5.1.2019)

https://www.nnbs.ch/fileadmin/user_upload/bilder/Veranstaltungen-NNBS/Swissbau16/p-martin-bachmann.pdf(5.1.2019)

https://www.sbb-immobilien.ch/sites/default/files/sbb_projectdb_files/project_20190109-172837_f98f1852.pdf(5.1.2019)