Lehmbau in der Schweiz

Februar 20, 2019

Für ein besseres Verständnis dieses Baumaterials muss die Geschichte des Lehms betrachtet werden: Lehm wurde Jahrhunderte lang für Aussenwände, Verputze und als Füllmaterial verwendet. Doch in der Nachkriegszeit kam es zu einem Boom des schnell erzeugbaren Betons. Erst um 1980 wurde, meist in privaten Kleinbauten, wieder mit Lehm experimentiert. Das Image des Baumaterials hat sich seitdem stark gewandelt: vom Pizzaoffen-Material über die dekorative Innenwand bis zur professionellen Forschung an der EPFL Lausanne und der ETH Zürich. 

In das schweizerische Architekturbewusstsein ist der massive Lehmbau durch die 2003 erstellten Gerätehäuser auf der Sportanlage Sihlhölzli von Boltshauser Architekten und Martin Rauch gekommen. An diesem Kleinbau wurde die Verfahrenstechnik des horizontal verdichteten Stampflehms mit seiner charakteristisch abzeichnenden Schichtenlage versucht. Gestalterisch interessant ist die gesuchte Grobheit der handwerklich erzeugten Lehmwände im Kontrast mit den perfekt scharfkantigen Betonelementen. Hoch anzurechnen ist hier die Experimentierfreudigkeit der Stadt Zürich als öffentlicher Bauherr. Weitere bekannte Projekte sind der Erweiterungsbau für die Schule Allenmoos II sowie das Besucherzentrum für die Vogelwarte Sempach. Aktuell planen Boltshauser Architekten das Ozeanium Basel, bei dem sich der vorgeschlagene Lehmbau gegen verschiedenste Entwürfe einer internationalen Konkurrenz durchsetzen konnte. Die Materialwahl wurde mit der natürlichen Speicherkapazität der Lehmwände begründet, die als Wärme- und Kälterückgewinnung der verschieden temperierten Wasserbecken genutzt werden können. Dabei liegen die bauphysikalischen Vorteile des natürlichen Werkstoff Lehms auf der Hand: Lehm ist aufgrund seiner hohen Dichte wärmespeichernd, schalldämmend und brandhemmend. Dank der diffusionsoffenen Beschaffenheit kann Lehm Luftfeuchtigkeits- und Temperaturunterschiede ausgleichen und sorgt damit für ein angenehmes Raumklima. Mit verschiedenen Zusätzen, wie etwa Stroh, können sogar Dämmwerte des MINERGIE-P-Eco Standards erreicht werden. 

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der grauen Energie: die moderne Bauwirtschaft hat sich auf die schnelle aber ressourcenintensive Bauweise mit Beton spezialisiert. Die im Minutentakt eintreffenden Fahrmischer beim Betonieren der Bodenplatte eines Grossprojektes geben jedoch ein Indiz auf den notwendigen Aufwand. Durch die lokalen, und meist überall vorhandenen Zutaten Sand, Kies und Schutt könnte der Energiebedarf gesenkt werden. Es ist zudem möglich Lehm, nach dem Lebenszyklus eines Gebäudes, durch einsumpfen wieder dem natürlichen Umfeld zurückzuführen, ohne zusätzlicher Deponierung. 

Trotz vieler Vorteile muss der Einsatz von Lehm individuell geprüft werden: konstruktive, bauphysikalische sowie materialbedingte Eigenschaften können für oder gegen Lehm sprechen. Die 1985 gegründete Interessensgemeinschaft IG Lehm kann hier bei der Planung und Ausführung wichtige Ratschläge geben. 

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Bildnachweis: 

Boltshauser Architekten

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Quellen:

https://www.iglehm.ch (5.1.2019)

https://www.nachhaltigleben.ch/bauen/oekologisches-bauen-der-lehmbau-und-seine-vielen-vorteile-2320 (5.1.2019)

https://www.bau-energie.ch/htm/bauenmitlehm.htm (5.1.2019)

https://www.energie-experten.ch/de/wohnen/detail/das-gute-liegt-so-nahe-lehmbau-rueckt-wieder-ins-licht.html (5.1.2019)

https://www.espazium.ch/lehm-zum-tragen-bringen(5.1.2019)
https://www.baunetzwissen.de/glossar/l/lehm-1547041(5.1.2019)